20 Ich
bitte aber nicht nur für sie, sondern für alle, die durch ihre
Worte von mir hören werden und an mich glauben.
21 Sie
alle sollen eins sein, genauso wie du, Vater, mit mir eins bist. So
wie du in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns fest
miteinander verbunden sein. Dann wird die Welt glauben, dass du mich
gesandt hast.
22 Deshalb
habe ich ihnen auch die Herrlichkeit gegeben, die du mir anvertraut
hast, damit sie die gleiche enge Gemeinschaft haben wie wir.
23 Ich
bleibe in ihnen, und du bleibst in mir. Genau so sollen auch sie
ganz eins sein. Und die Welt wird erkennen, dass du mich gesandt
hast und dass du meine Jünger liebst, wie du mich liebst.
24 Vater,
ich möchte, dass alle, die du mir gegeben hast, bei mir bleiben.
Sie sollen an meiner Herrlichkeit teilhaben. Du hast mir die
Herrlichkeit gegeben; denn du hast mich geliebt, längst bevor die
Welt geschaffen wurde.
25 Guter
und treuer Vater! Wenn die Welt dich auch nicht kennt, ich kenne
dich, und diese hier haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26 Ich
habe ihnen gezeigt, wer du bist. Das werde ich auch weiter tun,
damit deine Liebe zu mir auch sie erfüllt, ja, damit ich selbst in
ihnen lebe."
Was heißt „glauben“?
Oder:
Warum Können seliger denn Müssen ist
Ich
mache (leider viel zu selten) kirchenpädagogische Kirchenerkundungen
für Kinder in den Hauptkirchen. Einmal nach so einer
Kirchenerkundung saß ich mit einer lieben Kollegin im Kirchencafé
an der Außenmauer von St. Jakobi. Und wir unterhielten uns darüber,
wie toll diese Arbeit ist, mit Kindern so einen beeindruckenden
Kirchenraum zu entdecken und wie spannend es immer wieder ist, zu
hören, wie intuitiv Kinder sich dort Glaubensinhalte erschließen
und an andere weitergeben und dass die spannendsten Antworten manchmal
von den Kindern kommen, die zu Beginn gleich mit verschränkten Armen
sagen: „Also ich bin Atheist!“ In dem Augenblick stellt sich ein
Mann schwarzafrikanischer Herkunft, vor uns, liest uns ein Stück aus
seiner zerlesenen englischen Bibel vor und fragt uns: „Do you
believe in Jesus? Do you really believe in him?“ Da fällt mir auf,
dass ich das schon lange nicht mehr gefragt worden war. Früher wurde
ich häufiger gefragt und es gab offenbar mehr Gelegenheit mich zu
bekennen. Und wenn keine Gelegenheit da war, bekannte ich auf
Schulheften und Gitarrentaschen: „I love Jesus! Jesus loves you!
Jesus lebt!“ und dergleichen. Ja, ich glaubte! „Ich glaube an
Gott, den Schöpfer. … Ich glaube an Jesus Christus, … Ich
glaube!“ Ja, was heißt denn das eigentlich?
Beim
CVJM wurde das runtergebrochen (in der Lehrerausbildung nannten wir
das operationalisieren: Nicht Beobachtbares an etwas Beobachtbarem
festzumachen):
„Als
Jungscharler will ich dem Herrn Jesus Christus nachfolgen, will
täglich auf sein Wort hören und ihn bitten, dass er mir hilft
danach zu leben. Ich will sein: Gehorsam und treu im Elternhaus,
wahrhaftig und fleißig in der Schule und allezeit kameradschaftlich
und dienstbereit. Mein Leben soll dem Herrn Jesus Christus gehören.“
Aber
meint Jesus das, wenn er davon spricht, dass Leute durch die Worte
seiner Jüngerinnen und Jünger „an ihn glauben“? „Ich glaube
an dich!“ wird heute synonym gebraucht zu „Du schaffst das!“ Im
Subtext könnte nicht ganz ohne Druck stehen: „Ich zähle auf dich!
Ich weiß, was ich von dir erwarten kann! Enttäusch mich nicht!“
Oder auch weniger negativ: „Ich weiß, was du kannst!“ In jedem
Fall steckt dahinter die Hoffnung auf eine gewisse Form von Leistung.
Ich
habe dem Afrikaner geantwortet: „I don´t believe IN Jesus, but I
believe HIM.“
Und
obwohl mir so lange nicht so eine Frage gestellt wurde, merkte ich,
dass das passte: Ich glaube ihm das, was er gelehrt hat, was er
vorgelebt hat und woran er selbst glaubte: Dass er und der Vater eins
sind. Dass er uns den himmlischen Vater ganz nahe bringt, weil dieser
Gemeinschaft mit uns haben möchte. Jesus steht für mich für all
das. Darauf vertraue ich. Und natürlich verbinde ich mit diesem
Vertrauen auch eine gewisse Erwartungshaltung – wie das in einer
Beziehung eben so ist. Und natürlich ist es nicht nur erlaubt,
sondern auch notwendig zu überlegen, wie sich dieses „ihm glauben“
ins Leben umsetzt. Heute brauche ich ein Bekenntnis wie die
Jungscharzielsätze dazu nicht mehr.
Wenn
ich IHM glaube, geht es mir gar nicht mehr darum, ob es ihn gibt, wer
oder was er nun genau ist und was ich ihm zutraue. Ich weiß, dass
Kirchen sich zerstritten haben über die Frage, wer oder was Jesus
nun eigentlich genau ist, d.h. mit welcher Autorität er das sagt,
was er sagt. Und in dem Text von heute tritt Jesus wohl nicht ohne
Grund wie ein Hohepriester auf. Jesus betet in diesem Gebet so
liebevoll und eindringlich für unsere Einheit, damit die Welt an
dieser Einheit erkenne, dass er tatsächlich von Gott gesandt ist.
Ja, dann Jesus --- wird das wohl eher nüscht. Zumindest solange
Einheit als Gleichförmigkeit verstanden wird.
Ich
empfinde es immer auf´s Neue als Herausforderung, mich mit der
Verschiedenheit auseinanderzusetzen, Fragen nicht runterzuschlucken,
sondern offen zu stellen und Antworten auszuhalten, auch wenn sie mir
nicht gefallen und mich in der Folge als Gutmensch beschimpfen zu
lassen.
Vielleicht
ist es ein bisschen ketzerisch, wenn ich Jesus widerspreche und
behaupte: Die Welt wird nicht TROTZ christlicher Un-Einheit,
sondern gerade ihretwegen merken, welch große Bedeutung dieser Gesalbte
Gottes für uns alle haben kann, weil wir ihm das glauben KÖNNEN,
was er gesagt und gelebt hat, und es gerade eben nicht MÜSSEN.
Amen.
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