Donnerstag, 22. Mai 2014

I don´t believe IN Jesus


Andacht für den Konvent am 07.05.2014 im Thomaszentrum
Joh17,20-26                 Jesu hohepriesterliches Gebet
20 Ich bitte aber nicht nur für sie, sondern für alle, die durch ihre Worte von mir hören werden und an mich glauben.
21 Sie alle sollen eins sein, genauso wie du, Vater, mit mir eins bist. So wie du in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns fest miteinander verbunden sein. Dann wird die Welt glauben, dass du mich gesandt hast.
22 Deshalb habe ich ihnen auch die Herrlichkeit gegeben, die du mir anvertraut hast, damit sie die gleiche enge Gemeinschaft haben wie wir.
23 Ich bleibe in ihnen, und du bleibst in mir. Genau so sollen auch sie ganz eins sein. Und die Welt wird erkennen, dass du mich gesandt hast und dass du meine Jünger liebst, wie du mich liebst.
24 Vater, ich möchte, dass alle, die du mir gegeben hast, bei mir bleiben. Sie sollen an meiner Herrlichkeit teilhaben. Du hast mir die Herrlichkeit gegeben; denn du hast mich geliebt, längst bevor die Welt geschaffen wurde.
25 Guter und treuer Vater! Wenn die Welt dich auch nicht kennt, ich kenne dich, und diese hier haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26 Ich habe ihnen gezeigt, wer du bist. Das werde ich auch weiter tun, damit deine Liebe zu mir auch sie erfüllt, ja, damit ich selbst in ihnen lebe."

Was heißt „glauben“?
Oder: Warum Können seliger denn Müssen ist

Ich mache (leider viel zu selten) kirchenpädagogische Kirchenerkundungen für Kinder in den Hauptkirchen. Einmal nach so einer Kirchenerkundung saß ich mit einer lieben Kollegin im Kirchencafé an der Außenmauer von St. Jakobi. Und wir unterhielten uns darüber, wie toll diese Arbeit ist, mit Kindern so einen beeindruckenden Kirchenraum zu entdecken und wie spannend es immer wieder ist, zu hören, wie intuitiv Kinder sich dort Glaubensinhalte erschließen und an andere weitergeben und dass die spannendsten Antworten manchmal von den Kindern kommen, die zu Beginn gleich mit verschränkten Armen sagen: „Also ich bin Atheist!“ In dem Augenblick stellt sich ein Mann schwarzafrikanischer Herkunft, vor uns, liest uns ein Stück aus seiner zerlesenen englischen Bibel vor und fragt uns: „Do you believe in Jesus? Do you really believe in him?“ Da fällt mir auf, dass ich das schon lange nicht mehr gefragt worden war. Früher wurde ich häufiger gefragt und es gab offenbar mehr Gelegenheit mich zu bekennen. Und wenn keine Gelegenheit da war, bekannte ich auf Schulheften und Gitarrentaschen: „I love Jesus! Jesus loves you! Jesus lebt!“ und dergleichen. Ja, ich glaubte! „Ich glaube an Gott, den Schöpfer. … Ich glaube an Jesus Christus, … Ich glaube!“ Ja, was heißt denn das eigentlich?
Beim CVJM wurde das runtergebrochen (in der Lehrerausbildung nannten wir das operationalisieren: Nicht Beobachtbares an etwas Beobachtbarem festzumachen):

Als Jungscharler will ich dem Herrn Jesus Christus nachfolgen, will täglich auf sein Wort hören und ihn bitten, dass er mir hilft danach zu leben. Ich will sein: Gehorsam und treu im Elternhaus, wahrhaftig und fleißig in der Schule und allezeit kameradschaftlich und dienstbereit. Mein Leben soll dem Herrn Jesus Christus gehören.“

Aber meint Jesus das, wenn er davon spricht, dass Leute durch die Worte seiner Jüngerinnen und Jünger „an ihn glauben“? „Ich glaube an dich!“ wird heute synonym gebraucht zu „Du schaffst das!“ Im Subtext könnte nicht ganz ohne Druck stehen: „Ich zähle auf dich! Ich weiß, was ich von dir erwarten kann! Enttäusch mich nicht!“ Oder auch weniger negativ: „Ich weiß, was du kannst!“ In jedem Fall steckt dahinter die Hoffnung auf eine gewisse Form von Leistung.

Ich habe dem Afrikaner geantwortet: „I don´t believe IN Jesus, but I believe HIM.“

Und obwohl mir so lange nicht so eine Frage gestellt wurde, merkte ich, dass das passte: Ich glaube ihm das, was er gelehrt hat, was er vorgelebt hat und woran er selbst glaubte: Dass er und der Vater eins sind. Dass er uns den himmlischen Vater ganz nahe bringt, weil dieser Gemeinschaft mit uns haben möchte. Jesus steht für mich für all das. Darauf vertraue ich. Und natürlich verbinde ich mit diesem Vertrauen auch eine gewisse Erwartungshaltung – wie das in einer Beziehung eben so ist. Und natürlich ist es nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig zu überlegen, wie sich dieses „ihm glauben“ ins Leben umsetzt. Heute brauche ich ein Bekenntnis wie die Jungscharzielsätze dazu nicht mehr.

Wenn ich IHM glaube, geht es mir gar nicht mehr darum, ob es ihn gibt, wer oder was er nun genau ist und was ich ihm zutraue. Ich weiß, dass Kirchen sich zerstritten haben über die Frage, wer oder was Jesus nun eigentlich genau ist, d.h. mit welcher Autorität er das sagt, was er sagt. Und in dem Text von heute tritt Jesus wohl nicht ohne Grund wie ein Hohepriester auf. Jesus betet in diesem Gebet so liebevoll und eindringlich für unsere Einheit, damit die Welt an dieser Einheit erkenne, dass er tatsächlich von Gott gesandt ist. Ja, dann Jesus --- wird das wohl eher nüscht. Zumindest solange Einheit als Gleichförmigkeit verstanden wird.

Ich empfinde es immer auf´s Neue als Herausforderung, mich mit der Verschiedenheit auseinanderzusetzen, Fragen nicht runterzuschlucken, sondern offen zu stellen und Antworten auszuhalten, auch wenn sie mir nicht gefallen und mich in der Folge als Gutmensch beschimpfen zu lassen.

Vielleicht ist es ein bisschen ketzerisch, wenn ich Jesus widerspreche und behaupte: Die Welt wird nicht TROTZ christlicher Un-Einheit, sondern gerade ihretwegen merken, welch große Bedeutung dieser Gesalbte Gottes für uns alle haben kann, weil wir ihm das glauben KÖNNEN, was er gesagt und gelebt hat, und es gerade eben nicht MÜSSEN.

Amen.

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