Montag, 16. Juni 2014

Von Liebe und IKEA-Lieferungen



Ich habe am 14.06.2014 als mitwirkende Prädikantin meine Mutter und ihren Liebsten in der Simeonkirche in Löhne-Gohfeld trauen dürfen. :) Was für ein Privileg! Was für ein herrlicher Tag! Ich bin dafür so dankbar. 

Predigt zur Trauung von Marita und Hubert

Liebe Marita, lieber Hubert!

Ich weiß, Ihr habt Euch schwergetan mit der Suche nach Eurem Trauspruch – oder nein, eher: Er stand einfach nicht besonders weit oben auf Eurer Wasnochallesbiszumvierzehntensechstenerledigtseinmuss-Liste. Aber mal ehrlich: Musste es denn nun dieser Spruch sein??? Zu einer Hochzeit will man doch was von Liebe hören! Und von Liebe ist hier ja mal nicht die Spur. Zumindest auf den ersten Blick. (Alles mit einem zwinkernden Auge!)

Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat zu Gottes Lob.“ Röm15,7

Ich bin mal einfach davon ausgegangen, dass Ihr nicht Bibelroulette gespielt habt, sondern Euch für Euren Vers wohlüberlegt entschieden habt. Also, ich gebe ihm eine Chance und versuche mal herauszufinden, was Euch dazu gebracht haben könnte, ihn über Eure Ehe zu stellen.

Nehmt einander an“ - Was heißt das eigentlich (für uns heute)? Was können wir alles annehmen? Wir nehmen Pakete an für unsere Nachbarin und für uns selbst und bestätigen mit unserer Unterschrift, dass wir uns nun dafür verantwortlich fühlen und der Paketbote ist aus dem Schneider. Wir nehmen Lieferungen an und wenn hinterher doch etwas fehlt oder kaputt ist, dann sind wir selber schuld.

Aha! Jetzt kommen wir der Sache schon näher: Ist es mit einem Partner, einem Liebsten, einer Liebsten nicht genauso? - Wie bei einer kompliziert und aufwändig verpackten Lieferung kann ich gar nicht in Ruhe alles auspacken, um den Zustand der „Ware“ zu beurteilen. Wer sich schon einmal einen Kleiderschrank eines großen schwedischen Möbelhauses hat nach Hause liefern lassen, weiß, wovon ich spreche. Man schaut sich die Pakete an, zählt sie vielleicht noch durch, schiebt die Unterlippe vor, legt den Kopf schief und sagt: „... na, gut. … Das wird wohl stimmen“, und unterschreibt den Lieferschein.

Ich habe heute Mittag erlebt, dass keiner von Euch: „Hm, … na, gut“, gesagt und unterschrieben hat und trotzdem glaube ich, dass ich auf einer ganz guten Fährte bin. „Etwas anzunehmen“ heißt zum Einen, sich für etwas verantwortlich zu fühlen, das ich aber gar nicht hundertprozentig beurteilen kann. Ein Restrisiko bleibt nicht nur einfach bestehen, sondern ich nehme es sogar ganz aktiv auf meine Kappe und trage es.

Jemanden anzunehmen“ heißt aber auch, dass ich mir bewusst bin, dass die Ware nicht nur fehlerhaft sein KÖNNTE, sondern dass sie es IST. Ihr seid wunderbare Menschen, versteht mich nicht falsch! :) Und Ihr beide liebt Euch. Das steht außer Frage. Aber Liebe ist eben nicht nur dieses rosarote, plüschige Schmetterlingsgefühl. Wie tief die Liebe geht, zeigt sich ja gerade da, wo es schwierig wird. In den Situationen, in denen Ihr Euch gerne gegenseitig auf den Mond schießen möchtet. Wenn Ihr Euch vielleicht auch mal fragt, warum bin ich hier? Warum will ich das? Die Liebe ist wie ein zartes Band, das Euch verbindet. (Ich lege M + H ein Satinband in die Hände, ein anderes behalte ich, um es der Gemeinde zu zeigen.) Es ist eben keine Fessel aus Eisen oder starkem Seil. Ganz im Gegenteil. Bei echter Gegenwehr würde dieses Band spielend leicht zerreißen. Aber seine Stärke liegt nicht in der Kraft, die es aushält, sondern darin, dass es Eure Herzen miteinander verbindet, die ganz sensibel auf Zug reagieren, der anzeigt, dass der andere sich gerade unwohl fühlt und ein wenig auf Distanz geht. Und sei es auch nur ein ganz leichtes Ziehen.

Ich vermute, Ihr beiden seid Euch dessen ganz ehrlich bewusst, dass es solche Situationen gibt, in denen mal Du, Marita und mal Du, Hubert einen kleinen Schritt zurück machst, weil wir Menschen, zwar „sehr gut“ geschaffen sind, aber im Laufe unseres Lebens allerlei sammeln, das es nicht immer einfach macht, zueinander zu stehen. Ihr scheint Euch zu wünschen, dass Ihr genau in solchen Augenblicken bereit seid, das zu tragen – manche Marotte und Schrulligkeit vielleicht auch zu ERtragen, damit dieses zarte Band nicht zerreißt und weiterhin seinen Dienst tun kann.

Und Ihr habt Euch jemanden zum Vorbild genommen, der Euch beiden so begegnet, wie Ihr einander begegnen wollt. Ihr fühlt Euch von unserem Gott in Jesus Christus in all Euren Schwächen angenommen. Mit allen Macken und Spleens und alten Schuhen und alter und neuer Schuld. Ihr wisst, dass Gott Euch liebt – so wie Ihr seid. Das erzählt Ihr selbst seit so vielen Jahren u.a. Kindern in der Kinderkirche und nun habt Ihr Euch einen Vers ausgesucht, der Eure Ehe unter genau diese Zusage stellt: Ihr seid angenommen mit allem Restrisiko, das Gott damit auf sich nimmt. Darum wollt und könnt Ihr Euch auch annehmen mit allem Restrisiko. Aber das Risiko interessiert weder Gott noch Euch und das ist gut so. Wichtig ist dabei: Ihr wollt einander genau diese Sicherheit geben: „Ich stehe zu Dir!“ Und wie gut tut dieses Gefühl, dass Ihr Euch sicher sein dürft, dass der wunderbare Mensch an Eurer Seite bereit ist, sein Möglichstes zu tun, Euch so anzunehmen, wie Ihr seid. Und ich bin mir sicher, dass Eure Ehe, wenn wir sie von außen erleben werden, uns ein Stückchen Himmel zeigen wird. „Zu Gottes Lob!“ -wie Ihr Euch das wünscht.

Amen.

Freitag, 23. Mai 2014

"Du gehst jetzt sofort wieder raus und entschuldigst dich!"

In meinen 32 Jahren auf dieser Erde habe ich, soweit ich mich erinnern kann, keine fünf Backpfeifen verteilt. --- Meinen Bruder einmal ausgenommen. Ich befürchte, er hatte unter der zwei Jahre jüngeren Schwester doch mehr zu leiden, als mein Gehirn mir vorgaukeln will... :/

Aber die schallendste Ohrfeige von mir erhielt ein Nachbarsjunge in Miesbach am Tegernsee im Sommerurlaub. Ich habe seinen Namen vergessen. Vielleicht war es Peter. Peter war befreundet mit der Tochter des Hauses, in dem unsere Ferienwohnung lag. Mein Bruder war froh, dass auch ein Junge in seinem Alter zum Spielen da war und so verbrachten wir die meiste Zeit mit diesen Kindern.
Leider konnte ich Peter nicht ausstehen. Peter war ein Klugscheißer und ein Macho. In seinen Augen konnten Mädchen sowieso nichts und kleine Mädchen, wie ich eines war, schon mal erst Recht nicht. Und irgendwann, als mir seine Sprücheklopperei die Hutschnur platzen ließ, stellte ich mich vor ihn hin und knallte ihm mit lautem Klatschen meine flache Hand ins Gesicht. Tiefe Befriedigung durchströmte mich, direkt gefolgt von einer Welle des Erschreckens. Ich rannte in unsere Ferienwohnung, in der meine Mutter mich in Empfang nahm. Zitternd und weinend erzählte ich ihr, was geschehen war. Ich hatte wohl gehofft, dass sie mich in den Arm nehmen und trösten und mir sagen würde, dass ich nichts Falsches getan hätte. Doch sie wurde stinksauer und schmiss mich hochkant aus der Wohnung mit den Worten: "Du gehst jetzt sofort wieder raus und entschuldigst dich!" Und das ließ mich nur noch mehr verzweifeln. Ich hatte doch wirklich nichts Falsches getan! Oder ...? Ich hatte mich auf die (wie mir damals schien) einzige Weise gegen Peters Ärgern zur Wehr gesetzt, die mir bei diesem großen, nervigen Jungen übrig blieb. Nie zuvor, war mir meine eigene (seelische) Unversehrheit so wichtig gewesen, dass ich dafür jemand anderen verletzt hätte. 

Ob es sich richtig anfühlte, runter zu gehen und mich zu entschuldigen, spielte keine Rolle. (Ich weiß, es heißt eigentlich "und um Entschuldigung zu bitten". Aber offenbar wird uns sehr früh und sehr erfolgreich die Vorstellung eingepflanzt, "Bitte!" sei tatsächlich ein "Zauberwort", und die Erfüllung der Wünsche ein nur logischer Automatismus genauso wie "Entschuldigung!" eine Verzeihung so zwingend nach sich ziehen muss, dass ich sprachlich diesen unnötigen Zwischenschritt auch überspringen darf.) Ich hatte also keine Wahl --- ich konnte mich ja schlecht gegen das mütterliche Gebot, Frieden am Urlaubsort zu wahren, stellen. Dann hätten wir beide uns ja auch noch gezankt! 

Die anderen spielten direkt bei uns vorm Haus. Also konnte ich nicht einmal weglaufen. Vor oder zurück? Pest oder Cholera? Und wo blieb ich dabei? Mein Gefühl, für meine Unversehrtheit eingestanden zu sein und der kleine Stolz darauf, verebbte so schnell, wie es aufgetaucht war. Und so entschied ich mich, hinunter zu gehen und zu sagen, dass ich einen Fehler gemacht hätte.

Letztens wurde mir gesagt, dass ich den Eindruck vermittele, mich vor den Folgen meiner Entscheidungen und Handlungen zu fürchten. Und es ist wahr. Bis heute erschrecke ich darüber, wenn ich laut oder deutlich werde, selbst wenn ich weiß, dass ich aus meiner Perspektive absolut richtig gehandelt habe.

Donnerstag, 22. Mai 2014

I don´t believe IN Jesus


Andacht für den Konvent am 07.05.2014 im Thomaszentrum
Joh17,20-26                 Jesu hohepriesterliches Gebet
20 Ich bitte aber nicht nur für sie, sondern für alle, die durch ihre Worte von mir hören werden und an mich glauben.
21 Sie alle sollen eins sein, genauso wie du, Vater, mit mir eins bist. So wie du in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns fest miteinander verbunden sein. Dann wird die Welt glauben, dass du mich gesandt hast.
22 Deshalb habe ich ihnen auch die Herrlichkeit gegeben, die du mir anvertraut hast, damit sie die gleiche enge Gemeinschaft haben wie wir.
23 Ich bleibe in ihnen, und du bleibst in mir. Genau so sollen auch sie ganz eins sein. Und die Welt wird erkennen, dass du mich gesandt hast und dass du meine Jünger liebst, wie du mich liebst.
24 Vater, ich möchte, dass alle, die du mir gegeben hast, bei mir bleiben. Sie sollen an meiner Herrlichkeit teilhaben. Du hast mir die Herrlichkeit gegeben; denn du hast mich geliebt, längst bevor die Welt geschaffen wurde.
25 Guter und treuer Vater! Wenn die Welt dich auch nicht kennt, ich kenne dich, und diese hier haben erkannt, dass du mich gesandt hast.
26 Ich habe ihnen gezeigt, wer du bist. Das werde ich auch weiter tun, damit deine Liebe zu mir auch sie erfüllt, ja, damit ich selbst in ihnen lebe."

Was heißt „glauben“?
Oder: Warum Können seliger denn Müssen ist

Ich mache (leider viel zu selten) kirchenpädagogische Kirchenerkundungen für Kinder in den Hauptkirchen. Einmal nach so einer Kirchenerkundung saß ich mit einer lieben Kollegin im Kirchencafé an der Außenmauer von St. Jakobi. Und wir unterhielten uns darüber, wie toll diese Arbeit ist, mit Kindern so einen beeindruckenden Kirchenraum zu entdecken und wie spannend es immer wieder ist, zu hören, wie intuitiv Kinder sich dort Glaubensinhalte erschließen und an andere weitergeben und dass die spannendsten Antworten manchmal von den Kindern kommen, die zu Beginn gleich mit verschränkten Armen sagen: „Also ich bin Atheist!“ In dem Augenblick stellt sich ein Mann schwarzafrikanischer Herkunft, vor uns, liest uns ein Stück aus seiner zerlesenen englischen Bibel vor und fragt uns: „Do you believe in Jesus? Do you really believe in him?“ Da fällt mir auf, dass ich das schon lange nicht mehr gefragt worden war. Früher wurde ich häufiger gefragt und es gab offenbar mehr Gelegenheit mich zu bekennen. Und wenn keine Gelegenheit da war, bekannte ich auf Schulheften und Gitarrentaschen: „I love Jesus! Jesus loves you! Jesus lebt!“ und dergleichen. Ja, ich glaubte! „Ich glaube an Gott, den Schöpfer. … Ich glaube an Jesus Christus, … Ich glaube!“ Ja, was heißt denn das eigentlich?
Beim CVJM wurde das runtergebrochen (in der Lehrerausbildung nannten wir das operationalisieren: Nicht Beobachtbares an etwas Beobachtbarem festzumachen):

Als Jungscharler will ich dem Herrn Jesus Christus nachfolgen, will täglich auf sein Wort hören und ihn bitten, dass er mir hilft danach zu leben. Ich will sein: Gehorsam und treu im Elternhaus, wahrhaftig und fleißig in der Schule und allezeit kameradschaftlich und dienstbereit. Mein Leben soll dem Herrn Jesus Christus gehören.“

Aber meint Jesus das, wenn er davon spricht, dass Leute durch die Worte seiner Jüngerinnen und Jünger „an ihn glauben“? „Ich glaube an dich!“ wird heute synonym gebraucht zu „Du schaffst das!“ Im Subtext könnte nicht ganz ohne Druck stehen: „Ich zähle auf dich! Ich weiß, was ich von dir erwarten kann! Enttäusch mich nicht!“ Oder auch weniger negativ: „Ich weiß, was du kannst!“ In jedem Fall steckt dahinter die Hoffnung auf eine gewisse Form von Leistung.

Ich habe dem Afrikaner geantwortet: „I don´t believe IN Jesus, but I believe HIM.“

Und obwohl mir so lange nicht so eine Frage gestellt wurde, merkte ich, dass das passte: Ich glaube ihm das, was er gelehrt hat, was er vorgelebt hat und woran er selbst glaubte: Dass er und der Vater eins sind. Dass er uns den himmlischen Vater ganz nahe bringt, weil dieser Gemeinschaft mit uns haben möchte. Jesus steht für mich für all das. Darauf vertraue ich. Und natürlich verbinde ich mit diesem Vertrauen auch eine gewisse Erwartungshaltung – wie das in einer Beziehung eben so ist. Und natürlich ist es nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig zu überlegen, wie sich dieses „ihm glauben“ ins Leben umsetzt. Heute brauche ich ein Bekenntnis wie die Jungscharzielsätze dazu nicht mehr.

Wenn ich IHM glaube, geht es mir gar nicht mehr darum, ob es ihn gibt, wer oder was er nun genau ist und was ich ihm zutraue. Ich weiß, dass Kirchen sich zerstritten haben über die Frage, wer oder was Jesus nun eigentlich genau ist, d.h. mit welcher Autorität er das sagt, was er sagt. Und in dem Text von heute tritt Jesus wohl nicht ohne Grund wie ein Hohepriester auf. Jesus betet in diesem Gebet so liebevoll und eindringlich für unsere Einheit, damit die Welt an dieser Einheit erkenne, dass er tatsächlich von Gott gesandt ist. Ja, dann Jesus --- wird das wohl eher nüscht. Zumindest solange Einheit als Gleichförmigkeit verstanden wird.

Ich empfinde es immer auf´s Neue als Herausforderung, mich mit der Verschiedenheit auseinanderzusetzen, Fragen nicht runterzuschlucken, sondern offen zu stellen und Antworten auszuhalten, auch wenn sie mir nicht gefallen und mich in der Folge als Gutmensch beschimpfen zu lassen.

Vielleicht ist es ein bisschen ketzerisch, wenn ich Jesus widerspreche und behaupte: Die Welt wird nicht TROTZ christlicher Un-Einheit, sondern gerade ihretwegen merken, welch große Bedeutung dieser Gesalbte Gottes für uns alle haben kann, weil wir ihm das glauben KÖNNEN, was er gesagt und gelebt hat, und es gerade eben nicht MÜSSEN.

Amen.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Ein Appell in Sachen Fußgesundheit

[slamstyle]

Dass ausgerechnet ICH etwas in Sachen "Füße" von mir zu geben wage, ist nicht nur überraschend, sondern eigentlich unmöglich! Und das liegt an meinem Verhältnis zum Thema. Menschen, die mich kennen - und ich meine: wirklich kennen (!), denn damit ich mich in Gegenwart anderer mit Füßen befasse - sei es nun verbal oder gar haptisch - dafür, ja dafür muss man mich schon sehr gut kennen - nur Menschen also, die mich wirklich kennen, wissen, dass dieses Thema für mich nicht irgendwie irgendeine Untiefe darstellt, die es eloquent zu umschiffen gilt, und auch nicht so eine "Hoppala! Verfahren!"-Geschichte ist, sondern ... SONDERN es ist DER Riss im Raumanzug, das Bermudadreieck, der Hamburger Berg, wo es keine Hoffnung auf Entrinnen und keine Wiederkehr gibt.
Und trotzdem: Es ist mir ein Anliegen. Eine missionarische Aufgabe!
"LEUTE, GEBT ACHT AUF EURE FÜSSE!"
Und das gleich in zweierlei Hinsicht und BEIDES ist existenziell wichtig für Euch, für Euren Leib und Eure Seele!!!
PUNKT 1:
Achte im Sinne Deines Körpers darauf, dass Dir niemand auf die Füße tritt! Klingt simpel. Ist es auch! Die zwei besten Strategien, dies zu verhindern, sind:
Erstens) Bei jedem Schritt: Zehen einziehen! Scheiß auf ergonomisches Laufverhalten, atmungsaktivierende Edelstahleinlagen und Biolatschen! Das sind nur Instrumente einer eh schon ziemlich übergriffigen Sanitätshausmafia. Lasst Euch nichts einreden von rückenschonendem Abrollverhalten. Soll der Rücken doch schmerzen, so lange die Füße heile bleiben. Und mal ehrlich: So ohne Füße ... Und Ihr glaubt gar nicht, wie toll das ist, mit eingerollten Zehen durch´s Leben zu watscheln. Mit dem Hintern wackeln, auch ohne sich auf High Heels zu quälen, Fußpflege wird entbehrlich und sollten sich die Nägel doch einmal schneckenförmig ins Fußballenfleisch bohren, kümmern sich leidenschaftlich gerne kleine, sadistische Fußnagelchirurgen darum, sie dort wieder herauszuholen. Aber das Allerbeste: Niemand, aber auch wirklich niemand wird Dir jemals wieder auf die Füße treten!
Zweitens) Schau immer auf Deine Füße!  Hab´ sie immer im Blick. Nichts anderes. Ja, auch das nicht sonderlich rückenfreundlich. Hüte Deine Füße - sie sind das Kostbarste, was Dir jemals geschenkt wurde. Und darum sind sie auch gefährdet. Denn alle anderen - außer Dir selbst natürlich - haben nichts anders im Sinn, als Dir Dein Kostbarstes kaputt zu machen, denn haben können sie es nicht.
Alle hegen sie niederträchtigste Pläne in ihren fußneidischen Hirnen und tragen sie mit sich herum, um Dich irgendwann heimtückisch aus dem Hinterhalt pedal zu verletzen und Dich damit existenziell zu treffen.
Du bist der Drache! Also, hüte Deinen Schatz und setz Dich drauf!

PUNKT 2:
Für Deine Seele ist es noch wichtiger, dass Du unter allen Umständen bei allem Fußneid, der Dich selbst anfallartig packen mag, vermeidest, auch nur in die Nähe der Füße anderer zu kommen. Überwinde Dein inerstes Drängen zu den untersten Extremitäten Deiner Mitmenschen. Niemand wir Dir je verzeihen, wenn Du ihm oder ihr auf die Füße trittst. Denn eine Fußverletzung heilt - entgegen aller "Heile, heile, Zeit heilt alle ..."-Weisheiten - nie! NIE!!!

Das war es schon. Und ich sehe ein, dass die Sache mit der Schonung der Füße anderer die weitaus größere moralische Herausforderung darstellt, weil Du gegen Deine ureigenen archaischen Triebe kämpfen sollst.
Aber wenn uns DAS gelänge! Wenn uns das gelingt, wäre das nicht eine schöne neue Welt?!? Eine Welt der unbetretenen Füße. Kein Klagen. Kein Wehgeschrei. Kein inneres Kochen und Brodeln. Ein Paradies! - Ein Paradies für reich beschenkte, mit sich selbst zufriedenen, sehr einsame Drachen mit eingewachsenen Zehennägeln.

DANKE.

Sonntag, 23. Februar 2014

"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder..." (Mt18,3) Oder: Tick-tack-tick-tack

Kinder leben im Hier und Jetzt. 
Kinder lassen los, lassen stehen und liegen, wenn sie etwas anderes interessiert. 
Kinder versuchen nur über das Eine, was jetzt ist, Kontrolle zu haben. Alles andere liegt außerhalb ihres Radius. 
„Kindermund tut Wahrheit kund.“ Und überhaupt:
„Des was das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ 
Bei uns Großen ist das nicht (mehr) so. 
Wir lachen, wenn das kleine Menschlein 
wagt, etwas von sich sich zu geben, 
was uns niemals über die Lippen kommen dürfte. 
Ich beiße mir auf die Zunge.
Ich denke nach. 
Zuviel. 

Kinderkriegen ist Thema. Ja, die Uhr tickt. Und es ist mir nicht nur nicht peinlich, das so zu sagen. Ich frage mich sogar, warum uns Frauen das überhaupt peinlich berührt, wenn uns die tickende Uhr vorgehalten wird. Beziehungsweise: Warum verspotten wir uns eigentlich gern gegenseitig damit? Das ist doch etwas Wunderschönes, sich Kinder zu wünschen und gerne auch nicht bis zur Rente damit zu warten.

Ich merke, ich traue mir das heute zu, Mutter zu sein. Einem kleinen Menschen, beim Wachsen und Lernen zur Seite zu stehen, Grenzen aufzuzeigen und nicht aggressiv, sondern klar und aufrichtig zu reagieren, wenn ein Nein als Ja ausgelegt wird.

Meine MS darf auch mal gehört werden zu diesem Thema. Als eine unter vielen. Und ich höre ihre Einwände, lächele wissend und denke mir: "Gerade dir täte es gut." ;)

Der Tag, an dem ich aufhörte „Beeil dich" zu sagen  

Sonntag, 2. Februar 2014

Remake in Originalbesetzung

Ist es garstig zu denken, die Krankheit eines anderen nutze mir? Es kommt mir unmoralisch vor, weil ich nach dem Nutzwert von so etwas Schrecklichem spreche, das Krebs sein könnte. 

"Ich erhob meine Stimme zum HERRN und sprach: HERR, erhöre mein Flehen und mach meinen Vater wieder gesund! Da geschah das Wort des HERRN zu mir und er sprach: Siehe, jetzt wirst Du heil sein! Denn durch die Krankheit Deines Vaters wird meine Herrlichkeit an Dir offenbar!" 
(frei nach Janina :D)

Ich liege im Bett und bin kaputt wie nach einer Woche Ferienfreizeit mit dreißig Kindern und Jugendlichen. Aber es war nur ein einziger Tag - ganz ohne Ferienfreizeit und ohne Kinder. Noch dazu ein sonniger Sonntag: 
Ich hatte mich entschieden zu Hause zu bleiben und nicht mit in die Kirche zu gehen. Ich wollte endlich mal wieder hier alles in Ordnung bringen: aufräumen, Staub wischen, saugen, wischen. Das klingt kaum nach Erholung, aber war genau das, was ich mir heute am meisten wünschte: ein bisschen mehr Ordnung - in meinem Leben. "Äußere Ordnung für inneren Frieden!" Ja, so ab und an nehme ich mir Zeit dafür und es tut mir sooo gut. - Aber zurück zum Thema. Ich putzte also fleißig, als das Telefon klingelte. Meine Stiefmutter war dran, was an sich schon unruhig machte, da sonst eher mein Vater und ich miteinander sprechen. Nun rief also sie an, um mir zu sagen, dass mein Vater krank sei und im Krankenhaus liege. Verdacht auf Nierenkrebs. Erst als ich auflegte, merkte ich, was das mit mir macht: "NEIN! - 50% Mama und 50% Papa. Ich bin die beiden. Die beiden sind ich. Wenn einer stirbt - noch dazu bevor ich es endlich geschafft habe, ein herzliches Vertrauensverhältnis zu beiden wieder aufgebaut zu haben, dann ... ist irgendetwas ganz Wichtiges verloren!" Um damit nicht allein zu sein, rief ich meine Mutter und meinen Bruder an. Die Gespräche waren gut. Doch alte Pfade findet man ja bekanntlich im Schlaf. So auch ich. :/ Und genau hier setzt die Wiederholung ein.

Alle bisher gelaufenen Wiederholungen in meinem Leben empfand ich meistens als schmerzhaft, wenigstens aber als nervig. Wie einen Sprung in der Schallplatte. Doch die, die heute begann, ist jetzt schon anders. Sie schmerzt gleich doppelt: die Angst, Papa durch eine beschissene Krankheit zu verlieren UND das Gefühl einer ätzenden Wiederholung. Aber gerade sie scheint mir ein Geschenk in sich zu bergen, das heute schon einmal kurz aufblitzte. Ich lag in Elmars Armen und weinte vor Angst, meinen Vater zu verlieren und weil ich nicht bei ihm und meiner Stiefmutter sein kann, um ihnen beizustehen. Und ich erzählte von dem Gefühl, damit in meiner Familie allein zu sein. Dass niemand in meiner biologischen Familie ihn wohl wirklich vermissen würde außer mir. Als ich es aussprach, wurde mir zunächst eines klar: Dieses Gefühl ist nicht neu. Außerdem realisierte ich die Besonderheit dieser Wiederholung: Anders als andere lief diese mit der Originalbesetzung der Erstausstrahlung. Kein Remake wie "Elmar und Janina" als bessere Neuverfilmung von "Björn und Janina". Nein, alle vier sind wieder da: Mama, Papa, Stefan und Janina. Und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben bewusst die Chance, eine Entscheidung, die ich als Kind getroffen habe, neu zu treffen. Und ich würde mein Wertvollstes darauf verwetten, dass die Gefühle, die ich gerade empfinde, denen von damals, als ich drei war und meine Eltern sich trennten und mein Vater ging, sehr ähnlich sind, wenn nicht sogar identisch. 

                                                                                   Tod und Trennung sind beide doch das Gleiche. Das eine scheint nur endgültiger.

Und es ist gut, dies heute als Erwachsene zu erleben, dies formulieren zu können und mir darüber bewusst zu sein, was da gerade passiert und dass ich das Maß meiner eigener Heilung beeinflussen kann. Und es ist gut, empathisch zu sein und kein egozentrisches Kind, zu wissen, dass es nicht so IST, wie ich mir das DENKE. Dass Papas Krankheit natürlich auch nicht spurlos an meiner Mutter und meinem Bruder vorbeigeht. Und es ist gut, dass ich reden kann und will. Ich möchte mit beiden darüber sprechen. Und auch mit Papa. Werde nicht weinen - vielleicht. In jedem Fall nicht vor Verzweiflung brüllen. Ich will ihm sagen, dass er mir fehlen würde, weil ich heute weiß, wie er mir damals gefehlt hat.