Dienstag, 24. April 2012

"Warum ich Pastorin werden will, ...



... ist MIR (mittlerweile) so einleuchtend und gerade darum nicht so leicht gesagt. Es war ein Prozess mit Irrwegen und Sackgassen, der mich genau dorthin gebracht hat, wo ich heute stehe. 
Früher wollte ich es gerade NICHT, wollte meinen Glauben nicht zum Beruf machen. Aber warum nicht? 

Ich kannte lange nur Ehrenamtliche, die mich als Kind und Teenager in dem, was sie im Namen ihres Glaubens taten, überzeugten. Das klingt arrogant und das war es auch. 

Religiös sozialisiert wurde ich in erster Linie in einem pfadfinderähnlichen CVJM. Evangelikal. Missionarisch. Eine erste Wendung erfuhr diese Einstellung, als ich von der ehrenamtlichen Kinderarbeit in den Jugendbereich wechselte und mich mit den (glaubens-) kritischen Fragen junger Menschen konfrontiert sah. Ich war selbst überrascht, wie geschickt ich mich darin zeigte, gerade solche Gespräche zu initiieren, zu führen und die offen gelegten Schwierigkeiten mit der Institution Kirche und scheinbar unumstößlichen Glaubenssätzen zu thematisieren und dabei ganz authentisch bleiben zu können. D.h. meinen Glauben habe ich nie verloren, aber bis heute steht er permanent in Frage und daher im Wandel.

Ich entschied mich, DOCH Theologie (auf Lehramt) zu studieren, um mit Schülern genau Gespräche dieser Art zu führen. Eben nicht, um mit missionarischem Eifer von MEINEM Glauben zu überzeugen (davon hatte mich bereits eine Woche in Taizé überzeugt), sondern um miteinander über die verschiedenen Glaubensweisen und Überzeugungen ins Reden zu kommen. Der individuelle Glaube (Gerade NICHT der identische!) als Anlass und Basis zur Begegnung. DAS genieße ich bis heute in der Tat an meiner Tätigkeit als Lehrerin! :)

Ich liebe es, Menschen zu begegnen. Es fällt mir leicht, auf Kinder wie Erwachsene zuzugehen. Ich glaube, ich bin in der Lage, mich schnell auf verschiedenste Situationen und die Bedürfnisse unterschiedlicher Interessengruppen einzustellen. Und - was mich immer aufs Neue fasziniert - Menschen öffnen sich mir. Manchmal reichen wenige Minuten mit einem zuvor Fremden, dass er sich öffnet und erzählt. Ich höre zu. Ich kann gut zuhören. 

Mein Theologiestudium hat mich neben einem großen Schatz an Sachwissen vor allem eines gelehrt: eine große Offenheit für die Vielfalt des Glaubens. Ich liebe Kirche heute dafür, dass sie Menschen gerade in ihrer Verschiedenheit eint. Da sehe ich nicht nur die größten Herausforderungen, denen sich Kirche heute stellt, sondern auch den größten Segen. 

Und das heißt, Ökume als "Einheit in Vielfalt" in Gottesdiensten und Gemeindeleben erleb- und erfahrbar zu machen. Das heißt aber auch, die Gemeinschaft in der kulturellen Vielfalt eines Stadtteils wie HH-Wilhelmsburg beispielsweise als Segen zu feiern und Integration zu leben. 
Warum aber das alles als Pastorin, nicht als Lehrerin? - Ich bewundere alle Lehrerkollegen, denen es gelingt, frei von Besserwisserei und Von-oben-herab-Haltung eine Beziehung zu ihren Schülern aufzubauen, die von Freude am Lernen, Neugier und wechselseitigem Respekt geprägt ist. MIR ist das in den letzten zwei Jahren nur da gelungen, wo ich schulUNtypisch agiert habe, d.h. fern von Noten und Leistungsparadigma. 

Ich bin ein Beziehungsmensch und liebe es, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Ich liebe es, für Menschen eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich wohl und willkommen fühlen, in der sie sich öffnen dürfen. Gottesdienste dieser Art zu gestalten, habe ich mir im Rahmen meiner Laienprediger-/ Prädikantenausbildung zum Ziel gesetzt.

Ich weiß, dass Kirche sich schon und in Zukunft noch mehr mit großen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen hat. Meine Mutter ist seit vielen Jahren Presbyterin in meiner Heimatgemeinde - dörflich geprägt, mit NOCH 6.000 Mitgliedern und 150% der ursprünglich drei vollen Pfarrstellen auf drei Pfarrbezirken (bald nur noch einer Predigtstelle). Mir sind diese Prozesse von innen bekannt und vertraut, was sie an Diskussionen und Auseinandersetzungen nötig machen. Die Notwendigkeiten, die das Schrumpfen der Mitgliederzahlen mit sich bringt, verlangen mir nicht nur Schrecken und Respekt ab, sondern sorgen auch dafür, dass ich Raum für Entwicklung sehe, wo Kirche starr geworden war, und Lust habe, mich in der Gemeinschaft einer Gemeinde mich dieser Chance zu stellen, neue Wege zu finden und gemeinsam zu gehen. 

Kirche muss Kirche bleiben. Ja. Ich liebe das Verbundenheitsgefühl, das Traditionen, Ritualen und Altbewährtem entspringt. Aber Priorität hätte für mich VOR der blinden Konservierung des Alten (Für wen denn auch?!?) immer das Erspüren der (verschiedenen) Bedürfnisse der Menschen in Gemeinde und Stadtteil. Menschen unterschiedlicher Prägung sollen sich willkommen, gewollt und gebraucht fühlen. Da, wo Kirche auf quantitativer Ebene an Bedeutung verliert, steht sie mehr denn je in der Pflicht, den Menschen zu zeigen, dass sie für sie relavant ist, ...

... weil sie  aufsteht, wo andere sitzen bleiben,
"Nein!" sagt, wo geschwiegen wird,
"Ja!", wo sonst Ablehnung und der Glaube an das Schlechte in der Welt das Menschen- und Weltbild beherrscht.

Genau diesen Weg will ich gehen. Diese Signale will ich senden. Liebe schenken. Vermittels eines Amtes, das mir gestattet ich, Janina, zu bleiben, Segen und Vergebung leben."