Donnerstag, 16. Juli 2015

"Seid barmherzig, wie euer Vater im Himmel barmerhzig ist!"

Predigt für Luke-Enno Keitz` Taufgottesdienst

Barmherzig“ sollen wir sein! Na, klar! Kein Problem! Aber --- wie geht das eigentlich???
Das hat was mit Herz zu tun: Sollen wir immer einen roten Stift dabeihaben und überall Herzen draufmalen? Hm... Ich bin nicht überzeugt. Was heißt denn dieses „barm-“ davor? Früher konnten sich zwei Bettler treffen und sich gegenseitig fragen: „Na, heute schon gebarmt?“ Barmen hieß „Betteln“ bzw. „Jammern“.
Wenn jemand also „barm-herzig“ ist, hat er ein jammerndes Herz. Ein Herz, dass bittet und bettelt. Wann habt Ihr das letzte Mal bei den Abendnachrichten geweint? - Na, ist schon etwas her? Gründe genug gäbe es ja... Wenn ich ehrlich bin, schalte ich in letzter Zeit nach einem anstrengenden Tag eher weiter, weil ich es manchmal nicht aushalte, weil ich sonst anfangen müsste zu weinen.
Barmherzig sein heißt aber genau das: Unser Herz weich machen für andere Menschen. Stellt Euch vor: Der Normalzustand unser aller Herzen ist dieser >> Stein hochhalten. Und dann höre ich von den Flüchtlingen in der Unterkunft und dass es ihnen an so vielem fehlt. Da alle Menschen so einen Klumpen in ihrer Brust haben, wird niemand etwas sagen, wenn mich die Flüchtlinge nicht weiter kümmern. Und dann sehe ich an der Bushaltestelle eine Frau, die weint. Da alle Menschen so einen Klumpen in der Brust haben, kann ich die Frau getrost da sitzen lassen. Ich will sie nicht ansprechen. Mir ist das peinlich und ihr doch bestimmt auch. Und dann treffe ich in der Schule während der Pause auf den Blödmann aus der Parallelklasse, der mich sonst immer ärgert. Jetzt hockt er da und hält sich sein blutendes Knie. Da alle Menschen so einen Klumpen in der Brust haben, kann ich nicht nur weitergehen, sondern den Typen sogar noch auslachen. Und niemand würde mich verurteilen.
Habt Ihr an irgendeiner Stelle gedacht: „Das geht doch nicht!“? Dann hat Euer Herz gejammert. Dann habt Ihr für die Flüchtlinge, die Frau an der Bushaltestelle oder den Jungen mit dem blutenden Knie Euer Herz weich gemacht. Das ist Barmherzigkeit. Immer da, wo wir netter, herzlicher, offener oder liebevoller sind, als es die meisten erwarten würden, da sind wir barmherzig. Und natürlich ist es so, in einer Welt, in der alle Menschen so einen Klumpen als Herz in ihrer Brust haben, wird niemand meckern oder mich als unbarmherzig verurteilen, wenn ich weggehe, wegsehe, nicht helfe, … Aber da, wo nur einer ein weiches Herz hat, also barmherzig ist, gibt es ja plötzlich einen Maßstab. Wenn da einer ist, der liebt, obwohl er hassen dürfte/der hilft, obwohl der andere selbst schuld ist/der hinsieht, obwohl das kein schöner Anblick ist/der sich Zeit nimmt, obwohl er keine hat/..., merke ich plötzlich, dass ich ziemlich häufig sehr unbarmherzig bin/mein Herz hart lasse und nicht zulasse, dass mein Herz jammert: „Aber man müsste doch... Willst du nicht doch...?“ Und Jesus sagt seinen Freundinnen und Freunden genau DAS: „Lasst euer Herz jammern, denn da ist jemand, der sein Herz schon längst ganz weich gemacht hat für uns.“

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