„Barmherzig“ sollen wir sein! Na, klar! Kein Problem! Aber --- wie geht das eigentlich???
Das
hat was mit Herz zu tun: Sollen wir immer einen roten Stift
dabeihaben und überall Herzen draufmalen? Hm... Ich bin nicht
überzeugt. Was heißt denn dieses „barm-“ davor? Früher konnten
sich zwei Bettler treffen und sich gegenseitig fragen: „Na, heute
schon gebarmt?“ Barmen hieß „Betteln“ bzw. „Jammern“.
Wenn
jemand also „barm-herzig“ ist, hat er ein jammerndes Herz. Ein
Herz, dass bittet und bettelt. Wann habt Ihr das letzte Mal bei den
Abendnachrichten geweint? - Na, ist schon etwas her? Gründe genug
gäbe es ja... Wenn ich ehrlich bin, schalte ich in letzter Zeit nach
einem anstrengenden Tag eher weiter, weil ich es manchmal nicht
aushalte, weil ich sonst anfangen müsste zu weinen.
Barmherzig
sein heißt aber genau das: Unser Herz weich machen für andere
Menschen. Stellt Euch vor: Der Normalzustand unser aller Herzen ist
dieser >> Stein hochhalten. Und dann höre ich von den
Flüchtlingen in der Unterkunft und dass es ihnen an so vielem fehlt.
Da alle Menschen so einen Klumpen in ihrer Brust haben, wird niemand
etwas sagen, wenn mich die Flüchtlinge nicht weiter kümmern. Und
dann sehe ich an der Bushaltestelle eine Frau, die weint. Da alle
Menschen so einen Klumpen in der Brust haben, kann ich die Frau
getrost da sitzen lassen. Ich will sie nicht ansprechen. Mir ist das
peinlich und ihr doch bestimmt auch. Und dann treffe ich in der
Schule während der Pause auf den Blödmann aus der Parallelklasse,
der mich sonst immer ärgert. Jetzt hockt er da und hält sich sein
blutendes Knie. Da alle Menschen so einen Klumpen in der Brust haben,
kann ich nicht nur weitergehen, sondern den Typen sogar noch
auslachen. Und niemand würde mich verurteilen.
Habt
Ihr an irgendeiner Stelle gedacht: „Das geht doch nicht!“? Dann
hat Euer Herz gejammert. Dann habt Ihr für die Flüchtlinge, die
Frau an der Bushaltestelle oder den Jungen mit dem blutenden Knie
Euer Herz weich gemacht. Das ist Barmherzigkeit. Immer da, wo wir
netter, herzlicher, offener oder liebevoller sind, als es die meisten
erwarten würden, da sind wir barmherzig. Und natürlich ist es so,
in einer Welt, in der alle Menschen so einen Klumpen als Herz in
ihrer Brust haben, wird niemand meckern oder mich als unbarmherzig
verurteilen, wenn ich weggehe, wegsehe, nicht helfe, … Aber da, wo
nur einer ein weiches Herz hat, also barmherzig ist, gibt es ja
plötzlich einen Maßstab. Wenn da einer ist, der liebt, obwohl er
hassen dürfte/der hilft, obwohl der andere selbst schuld ist/der
hinsieht, obwohl das kein schöner Anblick ist/der sich Zeit nimmt,
obwohl er keine hat/..., merke ich plötzlich, dass ich ziemlich
häufig sehr unbarmherzig bin/mein Herz hart lasse und nicht zulasse,
dass mein Herz jammert: „Aber man müsste doch... Willst du nicht
doch...?“ Und Jesus sagt seinen Freundinnen und Freunden genau DAS:
„Lasst euer Herz jammern, denn da ist jemand, der sein Herz schon
längst ganz weich gemacht hat für uns.“
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