Montag, 26. März 2012

Bahnfahrt mit geschlossenen Augen

"Wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt.
Und wem viel anvertraut wurde, von dem wird umso mehr gefordert." Lk12,48

Ich erlebe, dass Kinder sich ihre Freunde aufs Geratewohl wählen. Mir erscheint ihre Entscheidung, wen sie mögen und wen nicht, willkürlich - jeder inneren Logik entbehrend. Sie können nicht erklären, warum sie diese Tante lieber haben, als die andere, warum dieser Sohn der Nachbarn ein tauglicher Spielkamerad und jener nicht mal wert ist, begrüßt zu werden. 

Ich merke, mir gefällt der Gedanke nicht, dass Freundschaften durch Zufall entstehen, dass nicht ich es bin, meine Person es ist, die mich zu einer Freundin macht, sondern die Umstände. Im Kindergarten: das gemeinsame Spiel, in der Schule: der blöde Lehrer, über den wir gemeinsam schimpfen, in der Uni: die Hausarbeit, durch die wir uns zusammen kämpfen. 

Ich bin umgezogen - das Terrain: völlig fremd und neu. Wie die Menschen. Ich kann mich kaum erinnern, wie es früher für mich war, mir neue Räume zu erschließen, fremde Menschen zu Vertrauten zu machen.

Hier merke ich, ich tue mich schwer mit dem Gedanken, Freunde zu WÄHLEN. Ich bin ja kein Kind mehr, dass einfach auf das Mädchen, den Jungen, den Erwachsenen seiner Wahl zusteuert und mit Zuneigung als Vorschuss für Freundschaft überhäuft. Warum der? Warum die? - Warum nicht die da drüben? Eigentlich bin ich doch erwachsen! Haha! Es sollte also ein Leichtes sein, nicht kindische Willkür walten zu lassen, sondern ... Ja, WAS eigentlich? Wer entscheidet oder was in mir entscheidet eigentlich, ob ich Menschen sympathisch finde? Oder gaukele ich mir das eh nur vor, dass es in meiner Entscheidung läge?

Es wäre entspannter, nicht darüber nachzudenken, zu glauben, dass es nicht meiner bewussten Ent-Scheidung entspringt. Auf dieser Welle ließe ich mich gerne treiben - fort vom schlechten Gewissen, wenn ich nur bestimmte Menschen mag und andere eben nicht oder nicht tiefer als nötig in mein Leben lasse.

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